Die Weiße Kreuzigung von Marc Chagall in Rom zum Jubiläum: ein Ereignis von internationaler Bedeutung

11. November 2024

Anlässlich des Jubiläums 2025 kündigte das Dikasterium für die Evangelisierung die vierte Ausstellung der Kulturreihe „Jubiläum und Kultur“ an, in der die berühmte Weiße Kreuzigung von Marc Chagall gezeigt wird. Die international bedeutende Ausstellung wird am 27. November im neuen Museo del Corso – Museumszentrum im Palazzo Cipolla in Rom eröffnet. Das Werk des belarussischen Künstlers, das zum ersten Mal nach Italien kommt, wird aus Anlass des Heiligen Jahres bis zum 27. Januar 2025 zu sehen sein. Der Eintritt ist kostenlos und für die Öffentlichkeit täglich von 10:00 bis 20:00 Uhr geöffnet.

 

Die Weiße Kreuzigung ist für ihre außergewöhnliche Fähigkeit bekannt, religiöse und symbolische Elemente in einer tief emotionalen Bildsprache zu integrieren. Ihre Anwesenheit in Rom bietet Kunstliebhabern und -wissenschaftlern eine einzigartige Gelegenheit, ein so beeindruckendes Meisterwerk zu betrachten. Marc Chagall, geboren 1887 in Ljosna, Belarus, und später französischer Staatsbürger, gilt als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Obwohl er sein Heimatland verlassen musste, blieb Chagall stets eng mit seinen Wurzeln verbunden, auch wenn ihm bewusst war, dass er nicht zurückkehren konnte. Sein Werk ist bekannt für traumhafte und fantastische Szenen, Ausdruck eines persönlichen Stils, der sich von den Strömungen seiner Zeit abhebt und die Avantgarde aufgreift, um sie zu übertreffen.

 

Die Weiße Kreuzigung, 1938 gemalt, markiert einen fundamentalen Wendepunkt für Chagall. Dieses Bild zeigt Christus nicht nur als Märtyrer, sondern lenkt auch dramatisch die Aufmerksamkeit auf die Verfolgung und das Leiden des jüdischen Volkes in den 1930er Jahren. Das Gemälde illustriert das Leiden sowohl der Juden als auch Jesu und zeigt gewalttätige Konflikte, wie das Niederbrennen von Synagogen. Im Zentrum ist Jesus gekreuzigt dargestellt, mit einem Gebetsschal geschmückt, symbolisch als Jude dargestellt. Die Weiße Kreuzigung offenbart Einflüsse der italienischen Kunst des 14. Jahrhunderts und zeigt einen bedeutenden Farbwert. Thematische Verbindungen zur religiösen Malerei der Renaissance, insbesondere zu Michelangelos Werken, und Bezüge zu den Kreuzen von Rembrandt bereichern die Aussagekraft des Werkes. Um Jesus sind drei biblische Patriarchen und eine Matriarchin in traditioneller jüdischer Kleidung dargestellt. An den Seiten des Kreuzes zeigt Chagall die Zerstörungen der Pogrome: links zwingt ein geplündertes Dorf die Flüchtlinge zur Flucht per Boot, während drei bärtige Figuren zu Fuß fliehen, eine davon hält die Tora. Rechts brennen eine Synagoge und der Toraschrein, während im unteren Teil eine Mutter ihr Kind tröstet. Neben Picassos Guernica zählt die Weiße Kreuzigung zu den eindringlichsten Anklagen gegen Krieg und Hass im 20. Jahrhundert und vermittelt eine noch heute aktuelle Botschaft.

Der gekreuzigte Christus

Der gekreuzigte Christus symbolisiert das Judentum. Er ist mit gesenktem Kopf dargestellt, sein Leib ist mit dem Tallit, dem Gebetsschal, bedeckt, den jüdische Männer während des Gebets tragen. Über seinem Kopf befindet sich ein traditioneller Heiligenschein, hier weiß dargestellt, der die Heiligkeit Christi symbolisiert. Über dem Kreuz steht in lateinischer und hebräischer Schrift „INRI“. Die an das Kreuz gelehnte Leiter übernimmt die symbolische Rolle der Verbindung zwischen Himmel und Erde, Mensch und Gott. Der gekreuzigte Christus wird schließlich von einem weißen göttlichen Lichtstrahl beleuchtet, der das Kreuz wie ein Scheinwerfer erhellt.

Die Szenen der Zerstörung, des Todes und der Gewalt

Um den gekreuzigten Christus herum sind Szenen der Zerstörung, des Todes und der Gewalt dargestellt, die miteinander verbunden sind. Oben schweben drei Männer und eine Frau in der Luft, verzweifelt – einige weinen, die Hände vor das Gesicht gehalten, während die anderen beten und das baldige Ende der Gewalt erbitten. Links marschiert eine Gruppe bewaffneter Soldaten mit roten Fahnen voran, die jene Männer symbolisieren, die an den Pogromen teilgenommen haben, den schrecklichen antisemitischen Gewalttaten, die die Juden in Russland zwischen 1881 und 1921 heimsuchten (und nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Überlebenden der Shoah weiterhin verfolgten).

Brennende Häuser

Im Zusammenhang mit der obigen Szene der Soldaten stellt der Künstler brennende Häuser dar. Jenseits der Flammen lässt sich die Zerstörung an den chaotischen Elementen und den kopfüber dargestellten Häusern erkennen. Zudem sind drei Opfer der Pogrome dargestellt, gekniet und verzweifelt.

Das Flüchtlingsschiff

Der Künstler malte ein Boot voller jüdischer Flüchtlinge, die versuchen, den Anker zu werfen, um sich zu retten und sicheren Boden zu erreichen. Diese Szene, die auch heute noch aktuell ist, drückt die Flucht aus den Heimatländern in der Hoffnung aus, ihr Leben in kriegs- und zerstörungsfreien Gebieten zu retten.

Die Symbole der jüdischen Kultur

Unten links im Vordergrund sieht man drei Männer, die einige Objekte mitnehmen. In Zeiten solcher Gewalt muss das Wort Gottes gerettet werden. Der letzte der Reihe, in Dunkelblau gekleidet, trägt die Tora, das jüdische Gesetz, in seinen Armen. In der Mitte unten befindet sich die Menora, der siebenarmige jüdische Leuchter (obwohl hier nur sechs Arme sichtbar sind), der über Jesus am Kreuz wacht. Rechts von Chagalls „Weißer Kreuzigung“ sieht man eine brennende Schriftrolle, die weiße Flammen erzeugt, die bis zum Kreuz reichen – es handelt sich um die Bücher der Heiligen Schrift. Schließlich brennt oben rechts eine Synagoge, stellvertretend für alle Synagogen, die während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland verbrannten. In dieser Darstellung versucht ein Mann, die Schriftrollen des jüdischen Gesetzes aus dem Schrein des Gebäudes zu retten, während oben auf dem Gebäude die zwei Tafeln der Zehn Gebote und der Davidstern zu sehen sind, weitere charakteristische Symbole der jüdischen Religion.

Die tief spirituelle Bedeutung des Werkes

Die tief spirituelle Bedeutung des Werkes bietet den Besuchern eine außergewöhnliche Gelegenheit zur Meditation und macht die Betrachtung dieses Meisterwerks nicht nur zu einem Moment von großem künstlerischen Wert, sondern auch zu einer wichtigen Gelegenheit zur Introspektion und Reflexion über das Geheimnis des Kreuzes, Symbol der Hoffnung auf Erlösung und Auferstehung nach den Gräueltaten und des Sieges über den Tod.